Klang und Kontemplation
Christine Ockenfels

Trauerwege






Bild von Harry Pepelnar aus Unsplash



Trauer bringt Tiefe.
Freude bringt Höhe.
Trauer bringt Wurzeln.
Freude bringt Äste. 

Freude ist wie ein Baum,
der sich dem Himmel entgegenstreckt.
Trauer ist wie die Wurzeln,
die in das Erdinnere hineinwachsen.

Beides wird benötigt.
Je höher ein Baum wächst,
desto tiefer verwurzelt er sich in der Erde.
So wird die Balance aufrechterhalten.

Osho

Trauerwege sind Lebenswege, weil Trauer zu jedem Leben gehört. Es ist unvermeidbar, dass wir im Lauf unseres Lebens immer wieder in Situationen geraten, die Trauer in uns auslösen. Das Leben selbst ist ein ständiger Wandel. Nichts bleibt wie es ist. Nichts ist sicher. Dies hat Joachim Ringelnatz treffend ausgedrückt: "Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht". (Joachim Ringelnatz)
Wir wissen dies und doch tun wir uns schwer, Veränderungen anzunehmen. Lieber halten wir fest: Gewohnheiten, Dinge, Situationen, Menschen, Vorstellungen usw. 
Wir können Veränderungen mit Angst begegnen und uns dagegen wehren. Dann nehmen wir eine Veränderung eher als ein Problem wahr.
Letztlich sind Veränderungen kein Problem. Sie sind vielmehr ein Angebot und eine Herausforderung, sich zu entwickeln.

Worum und wie trauern Menschen?
Wir trauern um den Verlust unserer Arbeitsstelle oder darum, dass wir nicht mehr gesund werden. Der Verlust von Heimat ist zu betrauern und je nach Krankheit oder Alter der Verlust unserer Selbstbestimmung. Dies sind nur einige Verluste, dich sich im Lauf eines Lebens einstellen können. Die meisten Menschen wachsen mit der Zeit auch tatsächlich an solchen Verlusten, oftmals ganz von selbst, ohne sich dessen gleich bewusst zu sein.

Jede Veränderung, jede Trennung löst eine Trauer aus, die unterschiedlich tiefgehend empfunden wird. Das ist eine ganz natürliche Reaktion.
Der Mensch bringt von Natur aus die Fähigkeit mit, zu trauern. Ohne diese Fähigkeit könnten wir gar nicht überleben, weil wir uns nicht an neue Lebensumstände anpassen könnten. Trauern hilft, lebendig zu bleiben.

Dann aber gibt es Verluste, die uns vollkommen aus unserer Lebensbahn werfen. Wer einen Menschen verloren hat, zu dem eine tiefe Bindung besteht, erlebt oftmals eine so tiefe Trauer, dass es scheint, als ob es nie mehr anders wird. Der Schmerz ist so groß, die Verunsicherung so stark, dass es sich anfühlt, als gäbe es keinen Weg mehr ins Leben. Die Trauerarbeit wird zu Schwerstarbeit.
Der trauernde Mensch fühlt sich wie abgeschnitten von seinem Umfeld, von der Gesellschaft, in der das Thema Trauer und die damit verbundenen Gefühle eher angstbesetzt sind oder gar tabu. Gerade dann braucht er Verständnis, Mitgefühl und Zuwendung. Eine gute Möglichkeit ist da, Trauerbegleitung in Anspruch zu nehmen. Sie bietet einen Schutzraum, in dem der Mensch mit seiner Trauer so sein kann, wie er ist. Da darf er reden, schweigen, klagen, weinen, sich erinnern ... .

Spätestens beim schmerzlichen Verlust eines geliebten Menschen werden wir mit unserer eigenen Endlichkeit konfrontiert.
Hier wird die spirituelle Dimension von Trauer deutlich.
Diese zeigt sich in einer veränderten Bewusstseins- und Daseinsqualität:
Die Frage nach dem Sinn des Lebens drängt sich auf.
Was früher wichtig war, hat plötzlich keine Bedeutung mehr.
Die Zeit relativiert sich.
Die persönliche Spiritualität wird als Hilfe in der Bewältigung des Verlustes erlebt.

In der Trauerbegleitung sollte die spirituelle Dimension im Sinn von "Spiritual Care" berücksichtigt werden. Die Begleitung kann die Erfahrung ermöglichen, mit all diesen Veränderungen und Bedürfnissen sowie in der ganz individuellen Trauer angenommen und gesehen zu werden, ohne dass die begleitende Person etwas bewertet. Der trauernde Mensch wird darin bestärkt, sich soviel Zeit zu nehmen, wie er braucht und schließlich auch ermutigt und unterstützt, seinen eigenen Weg ins Leben zurückzufinden.

Wie Menschen den Verlust bewältigen, hängt von der Tiefe der Beziehung (s.o.) zum Verstorbenen ab und von den äußeren und inneren Umständen. Trauerwege sind so verschieden wie Lebenswege. Und sie sind immer auch labyrinthische Wege, also oft sehr lang.
Doch irgendwann heilt die Wunde des Verlustes und der Trauer. Der Schmerz lässt nach, vielleicht verschwindet er ganz. Eine Narbe wird immer bleiben und es wird niemals ein Vergessen geben. Doch der Trauerweg hat sich gewandelt in einen neuen Weg, auf dem der Trauernde mit den Erinnerungen leben kann.

In meiner Tätigkeit als ehrenamtliche Trauerbegleiterin ist mir klar geworden, wo meine Stärken liegen, was ich von daher in der Begleitung anbieten kann und was eher nicht.
Dazu gibt es Informationen auf der Seite Angebot für Trauernde.