Klang und Kontemplation
Christine Ockenfels

Klang

Vor einigen Jahren im Kontext eines intensiven Trauerprozesses erlebte ich zum ersten Mal die Wirkung einer Klangschale, die mir meine Trauerbegleiterin leise klingend und schwingend über den Körper führte, während ich entspannt und mit geschlossenen Augen auf dem Rücken lag. Diese Erfahrung stärkte mein angeschlagenes Vertrauen so anhaltend, dass ich sie im Nachhinein als Katalysator für einen längst fälligen Entwicklungsprozess verstehe. Später, im Rahmen meiner Ausbildung zur Peter Hess®-Klangmassagepraktikerin erhielt ich meine erste Klangmassage. Während die Klangschalen auf meinem Körper durch sanftes Anschlegeln in Schwingung versetzt wurden, kam ich in einen Zustand der Gegenwärtigkeit, in dem es keinen Raum und keine Zeit mehr gab. Alles war fraglos eins. Ich erlebte einen tiefen Frieden und Einklang mit Allem. Seitdem hat mich das Phänomen des Klangs nicht mehr losgelassen.
In der wärmeren Jahreszeit, wenn ich eine kleine Pause brauche, gehe ich gerne in den Garten und setze mich auf eine Bank. Ich schließe die Augen und lausche, zuerst auf meinen Atem. Unmerklich höre ich dann den Wind, Vogel- und Kinderstimmen, fahrende Autos in der Ferne und alle möglichen anderen Geräusche. Wer kennt dies nicht: Manchmal erlebt man bei einer solchen "Übung", dass nach einer Weile des Hörens Töne und Klänge zu einer Einheit verschmelzen und man selbst eins mit ihnen wird. Solche geschenkhaften Erlebnisse verändern die Wahrnehmung der Schöpfung. Indem wir uns dem Klang anvertrauen, auf ihn hören, sind wir ganz im Hier und Jetzt präsent. Die Gegenwart ist wie der Acker, in dem ein Schatz vergraben ist. Der Schatz ist die Quelle des Lebens, die im Innersten des Menschen verborgen ist.

Im lebenslangen Prozess unserer gesamtmenschlichen Entwicklung und Reifung geht es letztlich darum, diesen Schatz zu heben, ans Licht Welt zu bringen, um ihn fruchtbar zu machen. Und es geht darum, mehr und mehr als Person erkennbar zu werden, ganz unabhängig von sozialen Rollen und moralischen Denkmustern. Der Gegenbauer Martin Schleske drückt dies so aus: "Was uns als Personen erkennbar macht, ist ... das, was durch uns wirksam, sichtbar, hörbar wird. Es ist das, was durch unser Leben hindurch zum Klingen kommt." Bei dem Begriff Person handelt es sich um eine Ableitung von dem lateinischen per-sonare, was soviel heißt wie durchtönen oder durchklingen.

Quelle: Schleske in Der Klang, Vom unerhörten Sinn des Lebens