Lyrik als Ausdruck und Ausfluss tiefster, innerster Erfahrung und Erkenntnis.
Lyrik als ein Hineingeben in einen Resonanzraum oder als Geschenk, das sich auf einen Resonanzboden legt. Hineinloten in die Tiefe des Ackers, der den Schatz in sich birgt, aus dem die Quelle des Lebens sprudelt. Das Mysterium der Lebensquelle wurde in allen Kulturen und Religionen ins Wort gebracht.
"Und so sage ich nach meinen Erforschungen des Atoms dieses: Es gibt keine Materie an sich. alle Materie besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Alls zusammenhält. ... Wir müssen hinter dieser Kraft einen bewussten intelligenten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie. Nicht die sichtbare, aber vergängliche Materie ist das Reale, Wahre, Wirkliche - denn die Materie bestünde ohne den Geist überhaupt nicht -, sondern der unsichtbare, unsterbliche Geist ist das Wahre. ... und damit in letzter Konsequenz: Gott."
(Max Planck in seiner Rede anlässlich der Verleihung seines Nobelpreises)
Gott - so nennen wir im westlichen Kulturkreis den Unnennbaren. Als Mose im Gespräch mit Gott nach dessen Namen fragt, "antwortete Gott dem Mose: Ich bin, der ich bin." (Mose 3,14) In Christus hat sich der Ich-bin im Menschen inkarniert.
Lyrik│Labyrinth
Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?
Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.
Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?
Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Johannes 14,1-6
Du bist der Faden
Aufgebrochen vor Zeiten
zurück und vor
nach rechts und links
geradeaus immer weiter
Woher kam das Wort
lockend Verheißung rufend?
Zaudernd stehengeblieben
wartend auf Weisung
fragend die Antwort erlauschend
Ewig scheint der Weg
das Ziel zum Greifen nah
und doch wieder verschattet
verschwunden hinter der Biegung
Du bist der Faden
festgebunden in der Herzkammer
des Innersten mein
Blind der Spur folgend
die du ersonnen für mich
immer weiter
bis ins Unsagbare nie Endende
SEIN
© Christine Ockenfels 2│2019
In der Mittenrose
In der Mitte angekommen
der Augenblick ist heilig
ich finde Halt in der Rose
fremde Menschen um mich herum
die Arme derer strecken sich
hin zur Mitte und bergen mich
Hände öffnen sich
empfangend die Kraft
fließend durch den Raum
von Ort zu Ort
von Mensch zu Mensch
einswerdend Fremdheit vergessend
Ewig könnten wir hier weilen
doch spricht eine Stimme
mahnend zum Gehen
als Gewandelte zurück
einzutauchen in die Alltäglichkeit
das Geschenkte im Herzen bewahrend
© Christine Ockenfels 2| 2019
(im Labyrinth der Kathedrale in Chartres)
Zeitenwende
Zeichen im Labyrinth des Lebens,
immer aufscheinend und notwendend
denen mit den feinen Sinnen für das Unfassbare,
das sich ereignet still und unscheinbar,
hörbar, sichtbar, zu ertasten für die mit der Sehnsucht.
Zeichen, jetzt so sehr offenbar geworden,
lange vor dem Fest der Liebe,
das der Inkarnation des Ewigen gedenkt.
Im Jahr der weltumspannenden Pandemie,
ruft der Lebendige nach Mitgefühl.
Weihnacht, die Nacht der Macht und Ohnmacht,
die Nacht der Andacht vor einem Futtertrog im Stall.
Andacht verklingt, Macht und Ohnmacht bleibt,
geht mit ins neue Jahr, verwoben in Strukturen,
wo es keine Tür gibt, die sich öffnen könnte für Heilung.
Oder doch? – Ja doch!
Lösen wollen sich die Fallstricke der Ohnmacht,
weiten will sich das Bewusstsein.
Das Licht leuchtet in der Finsternis
und nährt die gute Macht der Liebe.
Ewig da, dieses Licht für jede Kreatur,
Neues schaffen wollend in Herzensräumen,
die mit ohnmächtiger Liebe die Welt (er)tragen
mit Zuversicht und Heiterkeit, bei allem Ernst,
Herzen, bereit für tiefe Wandlung.
Zeitenwende – und wir mittendrin,
Gesellschaft, Politik, Kultur… alles in Frage.
Wo bin ich? Wo bist du? Woran hängt das Herz?
Zeitenwende in vielen Herzen
vermag Fragen in heilende Antworten wandeln.
© Christine Ockenfels 12│2020
Geh
Geh über die Schwelle,
mach dich auf den Weg.
Spüre die Kraft in dir,
die Wahrheit deiner Seele.
Geh mit der Wahrheit,
erhebe dein Haupt, das gekrönte.
Schreite hindurch ohne Furcht,
wisse die bei dir, die dir helfen.
Schaue das Ziel, die Vollendung in Wahrheit,
ganz gegenwärtig seiend.
Spüre den Grund unter deinen Füßen,
diesen Grund, der alle und alles verbindet.
Geh, geh einfach.
Geh weiter, geh tiefer, geh.
Geh Königin, geh dienmütig und stolz.
Geh.
© Christine Ockenfels 8| 2022
(am Westportal der Kathedrale in Chartres vor der Labyrinthbegehung)